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MEINE MEDIEN – UND ICH?

Digitalkompetenz ist mehr als das Bedienen neuer Techniken. Um diese sinnvoll zu nutzen, brauchen Erwachsene im Umgang mit ihnen eine gesunde Balance, Senioren mehr Mut, um ihre Chancen zu nutzen und Kinder verantwortungsvolle Begleitung.

Autorin: Antoinette Schmelter-Kaiser // Fotos: Maskot/getty, DGN/Christian Festag, privat // Datum: 03.02.23
 

Solche Szenen kennen wir alle: In Zug oder S-Bahn scheinen Jugendliche und Erwachsene von ihren Smartphones wie absorbiert, schauen TikTok-Videos, chatten per Messenger. In Restaurants sitzen sich junge Paare gegenüber, die Fotos von ihrem Essen machen und die Bilder auf Instagram posten oder sie googeln, statt miteinander zu sprechen. Beim Spaziergang im Park checken Passanten geschäftliche Mails auf dem Handy, hören mit kabellosen Earbuds Podcasts, laufen mit leerem Blick an anderen vorbei.

Für das Geschehen um sie herum scheinen viele Menschen immer öfter weder Augen noch Ohren zu haben. Sogar junge Eltern schauen auf das Smartphone, während sie den Kinderwagen schieben, und schenken dem Bildschirm auf dem Spielplatz mehr Aufmerksamkeit als ihrem Kind. Dabei lernt ein kleiner Mensch gerade in den ersten Lebensjahren durch das Spiegeln des Gesichtsausdrucks der Eltern und die Interaktion mit ihnen. Außerdem beeinträchtigt dieses Verhalten laut einer Studie des Leibniz-Instituts für Wissensmedien das Feingefühl von Müttern und Vätern. Wenn der direkte Blick und Kontakt fehlen, fehlt auch die Botschaft: Ich bin (für dich) da.

DIE DIGITALE DURCHDRINGUNG DES ALLTAGS.

Egal ob zur Unterhaltung, Information oder Kommunikation – digitale Medien haben unseren Alltag durchdrungen. Laut Statista.de verfügen hierzulande 98,1 Prozent der Haushalte über ein Mobiltelefon. 66,6 Millionen Deutsche nutzen das Internet und verbringen dort durchschnittlich 149 Minuten pro Tag. Rund 32,4 Millionen sind mehrmals täglich online, knapp 11,6 Millionen sogar fast die ganze Zeit – die meisten davon junge Menschen. Denn 88 Prozent der Millennials zwischen 22 und 37 Jahren und 92 Prozent der Gen Z (14 bis 21 Jahre) können sich ein Leben ohne Internet laut einer Studie des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos nicht mehr vorstellen.

Die Übergänge von der Selbstverständlichkeit bis zum Gefühl, ohne Smartphone nicht klarzukommen, oder gar einer suchtähnlichen Abhängigkeit sind fließend „Internetnutzungsstörung“ (INS) wurde von der International Classification of Diseases (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eigenes Krankheitsbild aufgenommen. Deshalb macht die „Digitalstrategie“ der Bundesregierung klar: „Bei Digitalkompetenzen geht es heutzutage um weit mehr als das reine Bedienen neuer Techniken. Entscheidend ist, digitale Produkte und Services nach den eigenen Bedürfnissen, Interessen und Präferenzen nutzen zu können und dabei die Kontrolle zu behalten.“

Prof. Dr. Gereon Nelles, Vorstandsmitglied im Berufsverband Deutscher Nervenärzte, plädiert für regelmäßige Pausen.

WIR BRAUCHEN DIGITALE AUSZEITEN.

„Wir sind heute ständig von digitalen Medien und audio-visueller Stimulation umgeben und müssen lernen, sie willentlich zu dosieren“, erklärt Prof. Dr. Gereon Nelles, Vorstandsmitglied im Berufsverband Deutscher Nervenärzte. Deshalb plädiert er für regelmäßige Pausen. Im letzten Urlaub ließ er selbst sein Handy ausgeschaltet – erst eine ungewohnte Erfahrung, dann „ein Segen“, durch den er sich „sehr gut erholt“ hat. Sind digitale Auszeiten nicht möglich, sollten Tätigkeiten möglichst nicht vermischt, d. h. digitales Multitasking vermieden werden, weil das laut Prof. Dr. Gereon Nelles ermüdet und die intellektuelle Leistung mindert. „Wir können Informationen nur nacheinander verarbeiten“, bestätigt Dr. Wienke Wannagat, die an der Uni Würzburg als Psychologin zu den kognitiven Grundlagen und Auswirkungen von Medienkonsum forscht. Die Überflutung mit Informationen durch digitale Medien, das Ausblenden von Unwichtigem und Priorisieren von Wichtigem sei „je nach den individuellen Fähigkeiten, Erfahrungen und dem Alter herausfordernd bis überfordernd“. Inwiefern das privat und im Arbeitsalltag zu Stress führen kann, untersucht Dr. Wannagat im Rahmen des vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst geförderten Forschungsverbunds ForDigitHealth. Bis 2023 erforschen hier elf interdisziplinäre Forschungsgruppen, wie ein gesunder Umgang mit digitalen Medien gelingen kann.

„Die Informationsflut ist herausfordernd bis überfordernd.“

Claudia Stephan ist Leiterin Technologieentwicklung und Prototypenbau Brennstoffzelle bei BMW und lässt in der Freizeit den Dienst-Laptop aus.

BEWUSSTE PAUSEN UND ABSTINENZ.

Claudia Stephan weiß, wie wichtig diese ist: 100 bis 150 berufliche Mails bekommt sie pro Tag. 75 Prozent ihrer Arbeitszeit als Leiterin Technologieentwicklung und Prototypenbau Brennstoffzelle bei BMW sind mit Microsoft-Teams-Sitzungen am Computer durchgetaktet, dazu kommen Nachrichten und Anrufe auf dem Dienst-Handy. Um nicht „komplett fremdbestimmt zu sein“, blockt die 53-Jährige zumindest kleine Freiräume in ihrem Kalender; Sonntage und Urlaube sind ihr „heilig“, das heißt: Dienst-Laptop und -Handy bleiben aus. Ihr privates Handy nutzt sie, um ihren in Stuttgart lebenden Freund zu erreichen. Darüber hinaus ist die Münchnerin absichtlich sparsam im Umgang mit digitalen Medien: Handys liegen absichtlich nicht neben dem Bett, weil sie ihren gesunden Schlaf stören könnten. Auf Facebook und Instagram verzichtet sie, weil ihr das „zu viel wäre“. Lieber als Chats mit Freundinnen sind ihr „echte“ Begegnungen. Statt im Internet zu surfen, um dessen „Sogwirkung“ sie weiß, geht sie tanzen, ins Fitnessstudio oder zum Wandern.

Elisabeth Cop, 86, nutzt die Medien zunehmend mehr, weil sie damit einfacher Kontakte halten und einkaufen kann.

GEWINN DURCH DIGITALKOMPETENZ.

Für das Gros der Berufstätigen ist Digitalkompetenz eine Schlüsselqualifikation. Als „immer größerer Teil unseres Lebens“ bietet die Digitalisierung laut Ex-Bundesseniorenministerin Christine Lambrecht aber auch große Chancen, zumal für die ältere Generation – „vom Videoanruf bei der Familie über das Online-Einkaufen bis zur digitalen Sprechstunde beim Arzt“. Deswegen sei es „wichtig, dass auch ältere Menschen am digitalen Wandel teilhaben“.
Eine davon ist Elisabeth Cop: Sie entdeckte mit 70 die Vorteile digitaler Medien, als ihre Enkelin zum Schüleraustausch in Argentinien war. Per Mail gelang es ihr, „diese lange Zeit ihrer Abwesenheit besser zu überstehen“. Heute bevorzugt die 86-Jährige für die
Kommunikation mit ihrer „verstreut“ lebenden Familie und Freunden WhatsApp. Damit könne sie schnell und unkompliziert Kontakt halten und dank vieler Fotos am Leben ihrer Lieben teilnehmen. iPhone, iPad und PC nutzt sie für Bestellungen von Arztrezepten und Lebensmitteln, für Überweisungen oder Restaurantreservierungen.
Weil sie „nicht aus der Zeit fallen will“, liest sie Nachrichten und informiert sich online – mit wachsender Begeisterung. „Je schwerer es mir fällt, mich zu bewegen, desto wichtiger werden die neuen Medien“, erzählt Elisabeth Cop. „Per Internet kann ich schnell überall hin.“ Ältere Menschen kann sie nur ermutigen, Kompetenzen im Umgang mit modernen Medien zu erwerben: „Dabei kann man nur gewinnen. Und es ist einfacher, als viele meinen.“

Christian Burghardt hat mit seinen Kindern Regeln vereinbart und sein eigenes Verhalten überdacht, um Vorbild zu sein.

MEHR FREIRAUM FÜR KINDER.

Negativ fällt der Rentnerin allerdings auf, dass sich Kinder heute zu viel mit aggressiven Computerspielen beschäftigen, damit häufig allein und zu wenig draußen mit anderen sind – anders als früher, als „die Fantasie, das Miteinander, Bücherlesen und Zusammenspielen „sehr wichtig“ waren.
„Die Mediatisierung des Familienalltags verändert die Prozesse des Heranwachsens“, lautet das Resümee des Deutschen Jugendinstituts, das sich intensiv mit dem Thema beschäftigt. „Eltern spielen bei der Vermittlung von Medienerfahrungen und -kompetenzen eine zentrale Rolle“. Außerdem müssen sie nach Ansicht der Initiative SCHAU HIN! als verantwortungsvolle Begleiter helfen, „ein gutes Gleichgewicht zwischen digitalen und analogen Interessen zu finden“.

Diesen Rat befolgt Christian Burghardt. „Ohne Beschränkungen läuft die Mediennutzung aus dem Ruder“, weiß der 47-jährige Frankfurter. Für seine Tochter Julia (10) und seinen Sohn Mats (7) gibt es „klare Regeln“ beim Gebrauch digitaler Geräte und Limits der erlaubten „Medienzeit“, damit Raum zum Spielen und Lesen der ausgewählten Bücher in den Kinderzimmern bleibt. Um Vorbild zu sein, überdachte Christian Burghardt auch sein eigenes Verhalten: In seiner verantwortlichen Position bei der Deutschen Bahn braucht er Laptop und Smartphone. Doch wegen der „Verlockung, sich ablenken zu lassen“, hat er Nachrichten-Apps deinstalliert. Und um die Zeit zu wissen, trägt er wieder eine Uhr.

 


VIER WICHTIGE BEGRIFFE FÜR DIE BEWUSSTE MEDIENNUTZUNG.

Phubbing

Das Kunstwort aus „phone“ (Telefon) und „snubbing“ (brüskieren) steht für die Unsitte, sein Handy im Zusammensein mit anderen Menschen zu benutzen. Dem Gegenüber signalisiert sie einen Mangel an Aufmerksamkeit, Interesse und Respekt.

Doomscrolling

Menschen neigen dazu, sich mehr für schlechte als für gute Nachrichten zu interessieren. Beim „Doom“(„schlimmes Schicksal“)-Scrolling entsteht ein Sog, im Internet ständig um Krisen von Corona über Kriege bis zu Katastrophen zu kreisen.

FOMO

Die zusammengesetzten Anfangsbuchstaben der vier Wörter „Fear of missing out“ umschreiben die Angst, etwas zu verpassen. Wer ständig seine Social Media Accounts checkt und vielen Newsfeeds folgt, könnte FOMO haben oder gefährdet sein.

Digital Detox

Bei Detox-Kuren wird der Körper unter anderem mit Fasten bewusst entgiftet, beim Digital Detox mehr oder weniger lang auf den Gebrauch von elektronischen Geräten wie Smartphone, PC und Tablet verzichtet.


PODCAST: DIGITAL GESUND.

Werden Ihnen die Medien manchmal zu viel oder machen Sie sich sogar Sorgen über Mediensucht bei Freunden oder in der Familie? Hier erfahren Sie mehr über einen achtsamen Umgang mit den Medien: www.bmwbkk.de/podcast


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