Zum Content springen

CHRONISCHE SCHMERZEN VERSTEHEN.

Dauerschmerz ist ein komplexes Problem, das nicht nur körperliche, sondern auch psychische und soziale Einflüsse miteinschließt. Wir erklären, was dahintersteckt – und was hilft.

Autorin: Kathrin Rothfischer // Fotos: AdobeStock, iStock (5), R.Kaessmann 

Wer eine heiße Herdplatte berührt, den durchzuckt sofort ein brennender Schmerz. Und das ist auch gut so. „Akuter Schmerz warnt vor Gefahren. Daher verschwindet er in der Regel wieder, sobald die Schmerzursache behoben ist“, erklärt Dr. Robert Marshall. Im Fall der Herdplatte sorgt er also dafür, dass wir die Hand schnell wegnehmen und keine größeren Verletzungen entstehen. Ein paar Tage tut die Verbrennung vielleicht noch weh und wir schonen die betroffene Hand, aber sobald sie geheilt ist, ist alles wieder gut. Doch manchmal können aus akuten Schmerzen dauerhafte Beschwerden werden. Halten sie länger als drei Monate an oder treten sie immer wieder auf, sprechen Fachleute von chronischen Schmerzen. Zu den häufigsten gehören Rückenschmerzen, Verschleißerscheinungen des Bewegungsapparates (Arthrose) und Schmerzen durch Gefäßerkrankungen. In Deutschland sind laut der Deutschen Schmerzgesellschaft rund 23 Millionen Menschen betroffen. Mehr als 75 Prozent davon sind älter als 50 Jahre. Während die sogenannten sekundären chronischen Schmerzen sich als Folge einer Erkrankung (z. B. Arthrose, Diabetes mellitus, Rheuma) entwickeln, lassen sich bei chronischen primären Schmerzen keine organischen Auslöser feststellen. Dann ist der Schmerz eine eigenständige Erkrankung. Mischformen sind häufig.

WAS IM KÖRPER PASSIERT

Wie das Nervensystem Schmerz verarbeitet, ist vielschichtig. Einfach erklärt, aktiviert ein Schmerzreiz die schmerzleitenden Nervenfasern. Diese senden das Signal „Schmerz“ an das Rückenmark, das die Information analysiert. Erst ab einer bestimmten Reizstärke leitet das Rückenmark die Signale weiter an das Gehirn. Kritisch wird es allerdings, wenn der akute Schmerz zu lange andauert oder sehr stark ist. Dann nämlich können sich Schmerzweiterleitung und Schmerzverarbeitung verändern. „Die Nervensignale werden überschnell verschaltet und die Kontrollpunkte übersprungen. Das bewirkt, dass Betroffene bei jedem Reiz Schmerzen fühlen, auch wenn es sich dabei gar nicht um einen tatsächlichen Schmerzauslöser handelt“, sagt Marshall. Darüber hinaus hinterlässt der Schmerz Spuren im Gehirn: Es nimmt Reize stärker und schneller als Schmerzen wahr. Das nennt man auch Schmerzgedächtnis. Dadurch können sogar Schmerzen auftreten, ohne dass es überhaupt einen äußeren Reiz gibt, und im schlimmsten Fall zu starken Dauerschmerzen führen. Und wenn der Schmerz erst einmal zum ständigen Begleiter im Alltag wird, kann das fatale Auswirkungen haben.

RÜCKZUG AUS DEM LEBEN.

„Das größte Problem ist eigentlich, dass sich Betroffene aus dem alltäglichen Leben entfernen und durch den Schmerz wie gelähmt sind“, sagt Marshall. Aktivitäten, die früher selbstverständlich waren, wie Treppensteigen, Spaziergänge oder Freunde treffen sind plötzlich eine Herausforderung. Viele Schmerzpatienten können ihrem Beruf nicht mehr wie gewohnt nachgehen, was finanzielle und soziale Unsicherheiten mit sich bringt. Häufig fühlen sich Betroffene zudem missverstanden oder isoliert, weil die Schmerzen für andere unsichtbar sind. Sie ziehen sich dann immer mehr zurück. Nicht zuletzt hat das alles auch Auswirkungen auf die Psyche: Typische Beschwerden können Schlafprobleme, Stimmungsschwankungen oder sogar Depressionen sein. Seelische Belastungen können wiederum die Schmerzempfindlichkeit verstärken – ein Teufelskreis entsteht.

Oft ist es für Betroffene schwer zu verstehen, wie komplex die Beschwerden sind und dass es keine einzelne, einfache Therapie gibt.

BEHANDLUNG: Vielfältig und individuell.

„Für viele Betroffene ist es schwer zu verstehen, wie komplex ihre Beschwerden sind und dass es dafür keine einzelne, einfache Therapie gibt, wie etwa ausschließlich Schmerzmittel“, erklärt Marshall. In der modernen Schmerztherapie hat sich immer mehr etabliert, dass unterschiedliche medizinische Fachrichtungen zusammenarbeiten. Jeder Betroffene bekommt eine individuell zugeschnittene Behandlung, die sowohl körperliche als auch seelische Aspekte berücksichtigt. Dabei können neben Medikamenten auch Massagen, Physiotherapie, Entspannungsverfahren, Ergotherapie und Psychotherapie zum Einsatz kommen. Außerdem spielt regelmäßige, an die jeweilige Leistungsfähigkeit angepasste Bewegung eine große Rolle. Die Patienten lernen zudem, im Alltag besser mit ihren Beschwerden umzugehen. „Das Ziel ist, dass der Schmerz die Betroffenen nicht mehr einschränkt und sie wieder am Leben teilhaben können“, sagt Marshall. Das bedeutet für viele auch zu akzeptieren, dass Schmerz an sich eine gesunde Funktion hat – und deshalb nie komplett aus ihrem Leben verschwinden wird.


DIGITALE SCHMERZTHERAPIE FÜR ZU HAUSE.

Flexibel und individuell – mit der medicalmotion-App und maximal 15 Minuten Zeitaufwand pro Tag können Sie chronische Schmerzen lindern.

Die von Ärzten und Physiotherapeuten entwickelte medicalmotion-App ist ein zertifiziertes Medizinprodukt und bietet eine personalisierte, ganzheitliche Schmerztherapie für zu Hause: Sie kombiniert Physiotherapie, Achtsamkeit, Atemübungen und Infos zum Thema Schmerz mit künstlicher Intelligenz. Dadurch passt sich die Therapie fortlaufend an Ihre persönliche Situation an. Die 15-minütigen Übungseinheiten lassen sich gut in den Alltag integrieren. Zudem stehen rund um die Uhr erfahrene Physiotherapeuten zur Unterstützung bereit, um Fragen zu klären.

 


Was hilft?

Eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen wirkt am besten gegen chronische Schmerzen. Hier die wichtigsten davon:

1. Bewegung

Zwei- bis dreimal wöchentlich für 30–60 Minuten leichter Ausdauersport (z. B. Walking, Radfahren), sanfte Kräftigungsübungen oder meditative Bewegung wie Yoga helfen, besser mit dem Schmerz zurechtzukommen, und dämpfen das Schmerzempfinden. Als Anfänger fangen Sie langsam an und steigern das Training nach und nach.

2. Physiotherapie

Gezielte Übungen und Behandlungsverfahren wie etwa eine manuelle Therapie helfen, Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit zu steigern sowie muskuläre Verspannungen zu lösen. Physiotherapeuten geben Betroffenen auch Strategien an die Hand, um selbst aktiv zu werden und ihre Beschwerden im Alltag besser zu kontrollieren.

3. Achtsamkeit

Die Fähigkeit, im Augenblick zu verweilen, ohne ihn verändern zu wollen, kann Schmerzen und die damit verbundene Angst lindern. Man kann sie in Achtsamkeitskursen lernen. Eine einfache Übung ist die Konzentration auf den Atem. Positiver Nebeneffekt: Eine gleichmäßige, tiefe Atmung beruhigt das vegetative Nervensystem und baut Stress ab.

4. Ernährung

Hochverarbeitete und säurelastige Nahrungsmittel können chronische Schmerzen verstärken. Daher lieber selber kochen und auf viel frisches Gemüse, Obst und hochwertige Kohlenhydrate (Vollkornbrot, brauner Reis, Kartoffeln) sowie pflanzliche Öle setzen. Tierische Lebensmittel (v. a. Fleisch) sowie Zucker und tierisches Fett dagegen lieber meiden. 

5. Soziale Unterstützung

Familie und Freunde haben Einfluss darauf, wie Betroffene Schmerzen wahrnehmen. Emotionale Anteilnahme kann Stress oder Angst reduzieren und so Schmerzen lindern. Unterstützung bieten auch Selbsthilfegruppen: Sich mit Betroffenen auszutauschen, stärkt das seelische Wohlbefinden und verbessert den Umgang mit den Beschwerden.

„schmerzen sollte man immer ernst nehmen.“

Rückenschmerzen sind weit verbreitet. Warum sie so oft chronisch werden und was Betroffene tun können, erklärt unser Experte Dr. med. Robert Percy Marshall.


Dr. med. Robert Percy Marshall

Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin und seit 2018 Mannschaftsarzt von RB Leipzig

Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten chronischen Schmerzen. Warum ist das so?

Das Becken und die untere Wirbelsäule verbinden die obere Hälfte des Körpers mit der unteren. Und eigentlich gibt es keine Bewegung, bei der diese Verbindung nicht in irgendeiner Form beteiligt ist. Sie wird also dauerhaft beansprucht. Das ist der eine Aspekt.

Und der andere?

Verschiedene Muskeln sorgen dafür, dass das Becken nicht schief steht – ähnlich wie die Fäden, die eine Marionette halten. Leider neigen diese Muskeln aber dazu, zu verkürzen oder schwach zu werden. Ohne das muskuläre Gleichgewicht hängt das Becken dann nicht mehr gerade und es entstehen Fehlhaltungen. Die Folge sind wiederum Fehlbelastungen, die akute Schmerzen verursachen und aus denen sich dann chronische Beschwerden entwickeln können.

Spielen Lebensstilfaktoren auch eine Rolle?

Ganz klar. Generell bewegen wir uns zu wenig und sitzen zum Beispiel viel am Schreibtisch. Und was Rücken und Nacken überhaupt nicht mögen, sind monotone Körperhaltungen. Auch falsche oder einseitige Bewegung, etwa berufsbedingt, spielt eine Rolle. Ebenso Übergewicht, das belastet den Rücken zusätzlich.

Was können Menschen mit chronischen Rückenschmerzen tun, die jeden Tag viele Stunden sitzen?

Viele Arbeitgeber bieten an, den Arbeitsplatz ergonomisch einstellen zu lassen. Das allein reicht aber nicht. Wichtig ist, die Arbeitszeit möglichst aktiv zu gestalten: Wechseln Sie zwischen Sitzen und Stehen oder arbeiten Sie mit einem Deskbike unter dem Schreibtisch sogar beim Radeln. Und auch in den Pausen können Sie aktiv sein, zum Beispiel um den Block gehen oder ein paar Dehnübungen machen.

Bewegung ist also das Wichtigste?

Moderate und regelmäßige Bewegung fehlt generell den meisten und hilft tatsächlich allen Schmerzbetroffenen. Das A und O ist aber zu verstehen, woher kommen die Beschwerden. Wer total gestresst ist, braucht zum Beispiel zusätzlich Entspannung. Oder wer eine Fehlhaltung hat, sollte diese gezielt ausgleichen, etwa durch Physiotherapie. Jeder braucht da etwas anderes.

Können dabei auch digitale Lösungen helfen?

Auf jeden Fall. Digitale Lösungen bieten in der Regel eine personalisierte und ganzheitliche Therapie, die sich laufend an die Bedürfnisse der einzelnen Nutzer anpasst und dadurch auch hilft herauszufinden, wo es am meisten hakt. Sie eignen sich daher gut, um zum Beispiel die Zeit bis zum Beginn einer Therapie zu überbrücken oder diese zu begleiten.

Und wenn ich nur gelegentlich Beschwerden im Rücken habe: Kann ich vorbeugend etwas machen, damit die Schmerzen nicht chronisch werden?

Besonders anfällig für chronische Schmerzen sind alle, die keine Kraft, Zeit oder Lust haben, etwas gegen akute Beschwerden zu tun. Das kann der Manager sein, der 80 Wochenstunden arbeitet, der körperlich geforderte Handwerker auf dem Bau, oder ein Mensch mit Depressionen. Nehmen Sie Ihre Schmerzen daher ernst und werden Sie aktiv. Die oben genannten Maßnahmen eignen sich alle zur Prävention. Aber auch hier gilt: Versuchen Sie herauszufinden, was hinter Ihren akuten Beschwerden steckt!

JETZT STARTEN! 

Laden Sie die App medicalmotion kostenfrei herunter und beginnen Sie Ihre individuelle Therapie gegen Schmerzen – die BMW BKK übernimmt die Kosten für die ersten sechs Monate.
www.bmwbkk.de/medicalmotion


BMW BKK Gesundheit digital lesen.

JA, ICH WILL ONLINE LESEN!

Egal, ob Sie der Umwelt Papier sparen wollen oder es gewohnt sind, online zu lesen – ab sofort können Sie die GESUNDHEIT überall online lesen und sind immer aktuell informiert.

Online-Magazin abonnieren


Frau schreib auf ihrem Smartphone eine E-mail

Wie gefallen wir Ihnen?

Wir sind gespannt auf Ihr Feedback zu unserem Online-Magazin und freuen uns über alles: Anregungen, Kritik, Lob…
Bitte schreiben Sie uns an magazin@bmwbkk.de.