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Pflegeroboter hält eine Flasche Wasser.

DER SANFTE ROBOTER-ASSISTENT.

Im TUM Forschungszentrum Geriatronik trifft das Thema Pflegenotstand auf innovative Robotik und künstliche Intelligenz (KI). Lesen Sie mehr über die neue Zukunftstechnologie und Chancen für uns Menschen im Interview mit dem Forscher Dr. Stephan Thiel.

Interview: Karen Cop

Herr Dr. Thiel, Sie arbeiten mit Prof. Sami Haddadin zusammen, einem der bahnbrechendsten Roboterforscher weltweit. Woran forschen Sie gerade?

Wir forschen an der TUM und ihrer Munich School of Robotics and Machine Intelligence in Garmisch-Partenkirchen zum Thema Geriatronik. Dabei geht es um den Einsatz von assistenzrobotischen Systemen zur Unterstützung von älteren Menschen. Dies kann direkt geschehen, indem wir diese so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden unterstützen, oder indirekt, indem wir die Pflegekräfte unterstützen, die sie präventiv, ambulant oder stationär versorgen. Ein wichtiges Ziel ist hier, Pflegekräfte zu entlasten, um mehr Zeit für die Mensch-zu-Mensch-Pflege zu ermöglichen.

Sie entwickeln deshalb einen Pflegeroboter. Welche Eigenschaften wird er haben?

Ich mag diesen Begriff Pflegeroboter nicht. Er assoziiert, dass der Roboter alle Aufgaben der Pflege übernimmt. Das können und wollen wir nicht. Wir entwickeln einen Assistenzroboter, der bei Pflegetätigkeiten unterstützt. Er soll eine Art Butler-Funktion erfüllen. Unser Service-Humanoid GARMI, so heißt er, steht auf Abruf bereit und erledigt Aufgaben, wenn sie gefordert werden. Zu einem guten Butler gehört auch mal, einen Wunsch von den Lippen abzulesen und Emotionen zu erkennen, z. B. falls wir nicht in Stimmung sind zu reden. Das nennen wir die Mensch-Roboter-Interaktion, die Wechselwirkung des Menschen mit dem Roboter. Funktional soll unser Service-Humanoid ggf. eine Alltagshilfe sein, z. B. beim Aufstehen helfen oder kleine Mahlzeiten herstellen.

Die zweite Funktionsebene liegt in der Kommunikation: Er stellt eine Schnittstelle zur Außenwelt dar und ist somit auch ein Mittel gegen Vereinsamung. GARMI kann z. B. einen Freund oder Familienangehörigen anrufen und in seinem Bildschirmkopf erscheinen lassen, wenn Sie sich mit ihm unterhalten möchten.

Die dritte Ebene ist die Telepräsenz und Telemedizin. Hat z. B. eine Ärztin oder ein Arzt ein komplementäres robotisches Kontrollsystem in seiner Praxis, kann er Sie anschauen, mit Ihnen sprechen und erste Untersuchungen durchführen. Einen Ultraschall zu machen oder Rehabilitationsübungen durchzuführen, wird über eine Entfernung von mehreren Hundert Kilometern möglich sein! Und im Notfall hilft GARMI, wenn die Patientin oder der Patient sagt: „Ruf bitte den Arzt an, mir geht’s überhaupt nicht gut.“ GARMI könnte mit diesem System unter ärztlicher Aufsicht sogar erste Notfall-Medikamente geben, wie ein Aspirin zur Blutverdünnung im Falle eines Herzinfarkts.

Was kann GARMI jetzt schon?

Wir haben eine Forschungsplattform und versuchen, ihm u. a. diese eben genannten Fähigkeiten beizubringen. Außerdem werden wir weitere Prototypen entwickeln und in jeder Entwicklungsphase Feedback von außen einbeziehen, z. B. von befragten Pflegekräften. Wir haben zwar erst angefangen, aber die Teleoperation funktioniert schon in den Grundlagen. Im Moment bekommt GARMI sein Fahrgestell, damit er herumfahren kann. Das Neue an der technischen Entwicklung ist das haptische Element: Sie können das robotische System aus der Ferne steuern und fühlen die Kräfte, die wirken. Die grundlegenden technischen Funktionen sind da, jetzt müssen diese zu einem einheitlichen System entwickelt werden.

Können Sie nachvollziehen, dass viele Menschen Angst vor Robotern haben, wenn sie zu nahe kommen?

Gegenüber Neuem entwickelt man immer erst mal Vorbehalte und überträgt Bilder aus Science-Fiction-Filmen in die Robotik, aber das entbehrt jeder Realität. Wir haben reelle Themen wie Datenschutz, Ethik und juristische Fragestellungen. Der Roboter unterscheidet sich maßgeblich von Robotern in der Fertigungsindustrie. Dank der Neuerung beim haptischen Erleben stoppt GARMI beispielsweise sofort, wenn ich mich ihm in den Weg stelle. Er kann mit einer Nadel auf einen Luftballon zugehen, den Widerstand spüren und anhalten, bevor der Ballon platzt. Die wichtigste Funktionalität des Arms von GARMI ist die Feinfühligkeit und hat nicht umsonst den Zukunftspreis gewonnen!

Bekommen die Roboter eine Haut?

Es gibt Forschungsprojekte, die sich mit sensitiver Haut befassen. Für GARMIs Hand wäre das interessant, aber das wird noch Jahre dauern. Die Roboter haben jedoch Sensoren, können Daten aufnehmen, analysieren und feststellen, ob es warm ist oder kalt. Sie können die Vitalwerte der Patienten erfassen und einschätzen, ob sie normal sind oder nicht.

Wie arbeitet der Roboter gegen den Pflegenotstand an?

Im Moment haben die Pflegekräfte keine Zeit, um in Ruhe auf die Menschen einzugehen. Ein robotisches System kann Getränke anbieten, Tisch decken, abräumen, das Heben der Patientinnen und Patienten erleichtern. Die Medikation, das Befüllen der Packungen, macht ein Roboter mit Sicherheit eher fehlerfrei. Einkäufe kann im Pflegefall ein robotisches Assistenzsystem erledigen. Es gibt so viele Beispiele. Die Pflegekräfte bekommen dann Zeit, Probleme und Gefühle zu besprechen oder sensible Tätigkeiten am Körper zu übernehmen, wie das Waschen. Wobei manche Menschen eine gewisse Scham haben und möglicherweise sogar lieber mit einem Roboter auf die Toilette gehen würden.

Prof. Sami Haddadin und Prof. Thomas Hofmann im Robotik-Labor.
Prof. Sami Haddadin (links neben TUM-Präsident Prof. Thomas Hofmann) entwickelte eine Art verlängerten Arm, mit dem ein Arzt Untersuchungen am Patienten durchführen kann, obwohl dieser weit weg ist.
Portrait Dr. Stephan Thiel

DR. RER. NAT. STEPHAN THIEL

ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Munich School of Robotics and Machine Intelligence (MSRM) von Prof. Sami Haddadin der TU München. Er prägte den Begriff „Geriatronik“, der „Gerontologie“, „Geriatrie“ und „Mechatronik“ kombiniert und sich mit Roboter-Assistenten für ältere Menschen befasst.

Wie lange wird es dauern, bis die künstliche Intelligenz reif genug ist, z. B. uns verstehen kann, falls wir unter Schmerzen sprechen?

Das ist eine Frage der verwendeten Schnittstelle zum Menschen. Einerseits gibt es hier schon Sprachassistenten, die Dialekte erkennen können. Andererseits ist Sprache nur ein Aspekt. Wir müssen auch Mimik und Gestik über optische Schnittstellen und entsprechende KI einbeziehen.

In Garmisch-Partenkirchen leben schon heute besonders viele ältere Menschen …

Ja, wir haben hier schon jetzt den Altersdurchschnitt, den Deutschland in zehn Jahren haben wird. Dementsprechend ist die Infrastruktur und es gibt genug Interessenten für unseren Bereich.

Könnte in Zukunft jeder einen Service-Roboter bei sich zu Hause haben?

Theoretisch, klar. Aber wir wollen keinen reinen Haushaltsroboter schaffen, obwohl dies sicherlich ein Begleitaspekt ist. Im Thema Geriatronik schneiden wir unseren Service-Humanoiden so zu, dass er im besten Fall verschrieben werden kann. Denken Sie einmal an die Diagnose Demenz: In der Regel gefährden diese Menschen sich oft selbst, sodass sie letztendlich ins Pflegeheim müssen. In der Zukunft könnte ein solcher Service-Roboter den Erkrankten dabei helfen, länger selbstständig und zu Hause zu bleiben, weil er ihre Fehlfunktionen ausgleichen kann. Er schaut z. B., ob der Herd ausgeschaltet ist, oder erinnert den an Demenz erkrankten Menschen an Termine. Er wäre ein medizinisches Hilfsgerät wie ein Rollstuhl.

Braucht GARMI speziell umgebaute Räume?

Zusammen mit der LongLeif GaPa gGmbH betreiben wir hier eine Wohnung mit offenen Wänden, in der die bereits verfügbaren technologischen Hilfsmittel schon verwendet werden, die den Alltag erleichtern. Wir nutzen sie mit dem GARMI und schauen, welche Technologien überflüssig werden, was in Ergänzung sinnvoll ist, und entwickeln dabei eine Referenzwohnung für Menschen mit robotischen Systemen.

Wahrscheinlich gibt es dort keine Schwellen, damit GARMI gut durchrollen kann …

… genau, Barrierefreiheit ist wichtig, da kommt er den Bedürfnissen älterer Menschen schon nah. Die Batterien müssen sich irgendwo wieder aufladen. GARMI soll irgendwann alleine Aufzug fahren, das muss alles berücksichtigt werden.

Haben Sie eine Vision für 2030?

Dass wir in Zusammenarbeit mit entsprechenden Trägern Testwohnungen haben und den GARMI im Einsatz mit älteren Menschen in Interaktion sehen. Darüber hinaus möchten wir Garmisch-Partenkirchen und die LongLeif unterstützen, einen auf modernste Art und Weise gestalteten Campus zu entwickeln. Auf dem soll nicht nur der GARMI seinen Platz finden, sondern ganz verschiedene robotische Systeme für den Alltag. Menschen und Roboter können dann auf einem größeren Areal zusammenleben.


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