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„ICH SCHAFFE DAS!“

Selbstwirksamkeit bedeutet, den eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. Wie sehr dieses wohltuende Gefühl bei besonderen Herausforderungen sowie im Alltag beflügeln kann, zeigt unsere Reportage.

Autorin: Antoinette Schmelter-Kaiser // Fotos: getty, privat

Juliana ist erst zum vierten Mal beim Training der „Steinböcke“ dabei. Trotzdem überwindet sie zwei Drittel des 15 Meter hohen Kletterturms mit geschickten Tritten und Griffen. Als die Zehnjährige am Überhang pausiert, spornt ihr Gruppenleiter Florian Kaiser sie von unten an: „Du schaffst das! Auf geht’s!“ Nach seiner Aufmunterung steigt Juliana bis ganz nach oben und lässt sich von dort freudestrahlend abseilen.

Ihr beflügelndes Gefühl, sich etwas getraut und es hoch hinaus geschafft zu haben, kennt Florian Kaiser sehr gut. 2010 entdeckte er selbst im Rahmen des Schulsportunterrichts das Klettern und fing bei der Sektion des Deutschen Alpenvereins in Markt Schwaben Feuer für „die Freude an der Bewegung“ in Kombination mit körperlicher und geistiger Herausforderung. Immer schwierigere Routen und Touren hat der heute 28-Jährige seither in Angriff genommen; unterwegs in den Bergen – egal ob zu Fuß oder auf Skiern – fühlt er sich „total happy“.

PROBLEME SUCHEN UND LÖSEN.

Den Grund, von diesem Glück nie genug zu bekommen, beschreibt er so: „Das sind einmalige Erlebnisse, die in Erinnerung bleiben. Nirgendwo sonst bin ich mehr im Moment.“ Außerdem mag er es, sich an der Kletterwand oder im Fels „ein Problem zu suchen und es zu lösen“. Die Challenge motiviert ihn auch, andere Herausforderungen zu suchen: Im Herbst will der 28-Jährige mit seiner Arbeit als Programmierer pausieren und auf dem Fahrrad mehrere afrikanische Länder von Kenia über Ruanda und Tansania bis Malawi durchqueren. Denn „was mir Spaß macht, ist oft außerhalb meiner Komfortzone“, erklärt er. Beruflich schwebt ihm danach vor, sich bei einem Start-up noch intensiver als bislang mit Aufgaben zu identifizieren und im Team auf gemeinsame Ziele hinzuarbeiten.

Florian Kaiser (links) spornt als Gruppenleiter beim Deutschen Alpenverein andere an, geschickt in die Höhe zu klettern.

Prof. Dr. Jutta Heller ist systemische Beraterin für individuelle und organisationale Resilienz und setzt auf Selbstvertrauen und Ermutigung.

VERTRAUEN IN DIE EIGENEN FÄHIGKEITEN.

Gipfelstürme oder Extremreisen wie bei Florian Kaiser müssen nicht sein. Aber generell „steigt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten mit dem Erleben von Erfolgen und der Bewältigung von Schwierigkeiten“, so Prof. Dr. Jutta Heller, die systemische Beraterin für individuelle und organisationale Resilienz, Autorin, Business Coach und zertifizierte Rednerin ist. Resultat sei ein wohltuendes Gefühl der Selbstwirksamkeit – ein Begriff, den der kanadische Psychologe Albert Bandura Ende der 1970er-Jahre geprägt hat. „Menschen mit dieser Fähigkeit sind davon überzeugt, dass sie sich ihre Erfolge selbst zuzuschreiben haben und nicht äußeren Umständen wie Zufall oder Glück verdanken“, sagt Prof. Dr. Jutta Heller. „Außerdem sehen sie ihre Erfolge als wiederholbar an und nicht nur auf Einzelfälle oder einzelne Bereiche beschränkt.“

EINFLUSS AUF DIE LEBENSQUALITÄT.

In der Sportpsychologie gilt eine Steigerung der Selbstwirksamkeit als anerkannte Technik, damit Athleten überzeugter von sich selbst sind und Leistungen zu einem gewünschten Zeitpunkt leichter abrufen können. Aber auch bei der Behandlung von Krankheiten fördert selbstwirksames Handeln die Heilung. Z. B. fanden deutsche Wissenschaftler 2019 bei einer Studie mit 995 Krebspatienten heraus, dass Selbstwirksamkeit – in diesem Fall der Glaube an eigene Bewältigungsstrategien im Umgang mit der Krankheit – einen bedeutsamen Einfluss auf die Lebensqualität hat. Laut einer Analyse des Potsdamer Zentrums für empirische Inklusionsforschung belegt eine Vielzahl von Studien, dass sich Schülerinnen und Schüler mit einer höheren Selbstwirksamkeitserwartung „durch höhere Anstrengung und Ausdauer, ein höheres Anspruchsniveau, effektiveres Zeitmanagement und einen flexibleren Einsatz von Lösungsstrategien auszeichnen“.

Thomas Esmyol bereitet gerne „Flying Buffets“ für seine Familie und Gäste zu. Zu sehen, wie es ihnen schmeckt, stärkt auch ihn.

LEICHTERER UMGANG MIT UNGEWISSHEIT.

Neben Erfolgserlebnissen kann die eigene Selbstwirksamkeit und Selbstwirksamkeitserwartung laut Prof. Dr. Jutta Heller durch stellvertretende Erfahrungen wie Vorbilder gestärkt werden. Auch verbale Ermutigung, also positives Feedback durch Familie, Partner, Freunde oder Kollegen, wirke aufbauend. Und die Gewissheit, in schwierigen Situationen Stress oder Angst durch mentale Praktiken wie gezieltes Atmen oder Progressive Muskelentspannung selbst steuern zu können.

Denn diese führe dazu, emotionalen Ausnahmezuständen im Fall von Herausforderungen nicht mehr hilflos ausgeliefert zu sein, sondern gegensteuern zu können. „Insgesamt trägt Selbstwirksamkeit viel dazu bei, schwierige Situationen gelassener anzugehen oder gut zu überstehen, und macht den Umgang mit Ungewissheit leichter. Selbstwirksame Menschen vertrauen darauf, dass sie auch Unvorhergesehenes aus eigener Kraft bewältigen können“, fasst Prof. Dr. Jutta Heller zusammen.

UNVORSTELLBARE DINGE SCHAFFEN.

Krisen können ihrer Erfahrung nach sogar der Auslöser dafür sein, dass sich Menschen ihrer eigenen Fähigkeiten bewusst werden und ihre Selbstwirksamkeit steigt. „Wenn man ins kalte Wasser geworfen wird, schafft man auf einmal Dinge, die vorher unvorstellbar schienen. Beim nächsten Mal fallen sie dann schon viel leichter und werden irgendwann selbstverständlich“, macht sie klar. Als Beispiel nennt sie das Umdenken in vielen Unternehmen während der ersten Monate der Corona-Pandemie: „Digitale Zusammenarbeit war kompliziert, es gab viele Vorbehalte“, blickt sie auf Frühjahr und Sommer 2020 zurück. „Dann haben viele Firmen überraschend schnell auf Formate wie Teams- oder Zoom-Konferenzen umgestellt – weil ihnen die Krise keine andere Wahl ließ. Inzwischen sind virtuelle Treffen so normal wie solche von Face to Face.“

ANDERE BEKOCHEN TUT GUT – UND KÖNNTE JEDER!

Nicht nur in Ausnahmesituationen, sondern auch im Alltag lässt sich Selbstwirksamkeit trainieren und integrieren. Für Thomas Esmyol ist das beim Kochen der Fall. „Was es früher bei meiner Mutter gab, war oft geschmacksneutral“, erinnert sich der heute 64-Jährige. Entsprechend neugierig war er auf einen anderen Umgang mit Lebensmitteln, den er in seiner ersten Münchner WG mit einem Kochbuch ausprobierte. „Es war eine Entdeckung für mich, dass Gemüse so lecker sein konnte“, begeistert sich Thomas Esmyol.

„Selbstwirksame Menschen können oft auch Unvorhergesehenes kraftvoll bewältigen.“

Seither ist er immer versierter darin geworden, wie man mit Kräutern, Knoblauch oder Gewürzen „Aromen ins Essen kriegt“ und „ehrliche, geschmackvolle Gerichte auf den Tisch bringt“ – angefangen beim Studieren von Rezepten als Inspiration über das Einkaufen hochwertiger Produkte auf dem Markt oder in kleinen Geschäften über das Schneiden, Hacken, Braten, Dünsten und Backen in seiner Küche bis zum gemeinsamen Genuss. „Wenn ich gekocht habe und es schmeckt, fühlt sich das toll an“, fasst er zusammen.

„Dabei kann ich in eine andere Welt eintauchen. Und finde es perfekt, innerhalb kurzer Zeit etwas fertig zubereitet zu haben“ – anders als die Bauprojekte, die in seinem ebenfalls „erfüllenden“ Beruf als Innenarchitekt „ewig dauern“.

NEUES LEVEL EINER LEIDENSCHAFT.

Thomas Esmyols kulinarische Kreationen wissen außer seiner Familie auch Gäste zu schätzen, für die er mehrgängige Menüs oder „Flying Buffets“ mit vielen kleinen Tellern und Schüsselchen zaubert. „Essen wird da zum gemeinsamen Erlebnis, das allen Spaß macht“, erklärt Esmyol. Die positive Resonanz lässt auch das Selbstwertgefühl wachsen. Er denkt jetzt darüber nach, kleine Gruppen bei „Überraschungs-Abenden“ zu bekochen – ein neues Level seiner selbstwirksamen Leidenschaft!

 


TIPPS FÜR MEHR SELBSTWIRKSAMKEIT.

von Professor Dr. Jutta Heller

Es ist ratsam, erst mit realistischen Zielen anzufangen und dann den eigenen Handlungsspielraum immer weiter auszudehnen. Wer noch nie Klavier gespielt hat, wird scheitern, wenn er sich vornimmt, in einem Monat ein öffentliches Konzert aufzuführen. Wenn das Ziel aber ist, ein erstes beidhändiges Stück fehlerfrei zu spielen, wird man ein Erfolgserlebnis haben und das Vertrauen in sich selbst wird steigen.

Ein wichtiger Schritt hin zu mehr Selbstwirksamkeit ist es, sich der eigenen Stärken und Bedürfnisse bewusst zu werden. Was tun Sie wirklich gerne? Was ist Ihnen wichtig? Was brauchen Sie, damit es Ihnen gut geht? Nimmt man Aufgaben mit diesem Wissen als Basis in Angriff, sind sie leichter zu bewältigen und führen zu mehr Erfolgserlebnissen. So wird eine positive Spirale in Gang gesetzt.

Selbstwirksamkeit braucht ein gesundes Mittelmaß. Es geht weder darum, sich selbst ständig zu überschätzen, noch darum, das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen. Am größten ist das Gefühl der Selbstwirksamkeit, wenn Herausforderungen stimmig, also versteh- und handhabbar sind.


Wege zur Resilienz.

Fünf Strategien, um die Resilienz zu stärken, finden Sie auf der Website Ihrer BMW BKK. Außerdem gibt es dort weitere Präventionsangebote, die Sie dabei unterstützen, gesund, aktiv und selbstwirksam zu leben: www.bmwbkk.de/krisenbewaeltigen


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